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>> Entscheidungsfindung

Bedingungen
Zwischenmenschliche Voraussetzungen
Zeit
Eine Voraussetzung für gute Entscheidungen, an der es oft am meisten mangelt, ist schlicht: ZEIT.
Wichtigen Entscheidungen muss die Entscheidung vorausgehen, sich die nötige Zeit dafür zu nehmen – und sie anderen zu geben. Dazu gehört eine Schätzung des vermuteten Zeitbedarfs, die besprochen und bejaht sein sollte, damit nicht Ungeduld oder Ärger in der Gruppe den Entscheidungsprozess stören. Wenn sich herausstellt, dass die eingeplante Zeit nicht ausreicht, gilt es zu schauen, woran es liegt:
- Wurde der Zeitbedarf unterschätzt (weil z.B. Sachfragen noch geklärt werden müssen)?
- Gibt es verdeckte Konflikte in der Gruppe, die eine Entscheidung blockieren?
- Ist es für eine Entscheidung noch zu früh?
- Geht es vielleicht um eine ganz andere Frage?
Zeit spielt nicht nur im Blick auf die Gesamtdauer eines Prozesses eine Rolle, sondern auch im Prozessverlauf selbst. Kleine Unterbrechungen, Phasen des Innehalten, der Stille und des Gebets scheinen auf den ersten Blick Zeit zu kosten und den Prozess zu verlängern. Meist gilt jedoch das Gegenteil: Dafür bewusst Zeit zu gewähren verkürzt den Entscheidungsprozess oft, weil solche Elemente den gemeinsamen inneren Prozess fördern.
Übungen s. Thema >Zeit, Thema >Unterbrechung, Thema >Innehalten
Vertrauen
In einer Gruppe bzw. einem Gremium sollte ein Klima der >Offenheit und des Vertrauens herrschen. Jede*r soll sich ehrlich und persönlich einbringen können, nicht nur mit seiner Meinung in der Sache, sondern auch mit dem, was sie*ihn dabei innerlich bewegt ( >Authentizität). Diese inneren Regungen wahrzunehmen, auszutauschen und ihre Richtung betend zu unterscheiden ist das Wesen geistlicher Entscheidungsfindung.
Vertrauen muss wachsen, es braucht Zeit und manchmal vertrauensbildende Maßnahmen, besonders nach Konflikten oder Verletzungen.
Übungen s. Thema >Vertrauen
Hören
Hören ist mehr als das akustische Hören von Worten. Die Bereitschaft zu Hören ist ein zutiefst spirituelle Grundhaltung. Sie bedeutet, sensibel und aufnahmebereit zu sein für das, was mir entgegenkommt. In gemeinsamen Entscheidungsprozessen geht es um ein „dreifaches Hören“, eine innere Aufmerksamkeit in drei Richtungen:
- Die Realitäten wahrnehmen und ernst nehmen (>Realitätssinn), und den anderen Teilnehmer*innen aufmerksam zuhören (>Hören )
- Die Bewegungen im eigenen Inneren wahrnehmen (z.B. was mich lockt, was mir Angst macht, wo ich eine Klarheit spüre, was mein Vertrauen herausfordert, was zu mehr Liebe führt u.a.m. – >Wahrnehmung, >Unterscheidung)
- Auf das innere Geschehen in der Gruppe achten (z.B. das Aufkommen von Konkurrenz, eine sich ausbreitende Mutlosigkeit, Übereifer für eine Idee, u.a.m.)
Übungen für Einzelne und für Gruppe s. Thema >Hören
Konfliktfähigkeit
Ein gesundes Maß an Konfliktfähigkeit hilft, zu konstruktiven Entscheidungen zu kommen. Konfliktfähigkeit beinhaltet, die eigene Meinung klar zu vertreten (>Authentizität), Widerspruch auch gegen (vermeintliche) Autoritäten zu wagen, Auseinandersetzungen sachlich führen zu können und sich nicht vorschnell „um des lieben Friedens willen“ auf einen faulen Kompromiss einzulassen.
Zur Konfliktfähigkeit gehört, nicht nur auf der eigenen Meinung zu beharren, sondern bereit zu sein, andere, vielleicht sogar entgegengesetzte Ansichten ernst zu nehmen und verstehen zu suchen: „Meins“ zu vertreten und dabei die innere Flexibilität und Freiheit zu besitzen, auch anderes gelten zu lassen und in Dialog zu gehen.
Übungen zum Thema Konfliktfähigkeit: >Pro und Contra, >Vielfalt als Gewinn
Geistliche Grundhaltungen
Hören auf den Willen Gottes
Die Rede vom „Willen Gottes“ steht immer in Gefahr, in der Weise missverstanden zu werden, als „wolle“ Gott als ein Gegenüber genau dieses oder jenes von uns, und das gelte es herauszufinden. Im ignatianischen Sinn erschließt sich der Wille Gottes aus der lebendigen Beziehung zu ihm (>Wille Gottes). Hören auf den Willen Gottes meint also ein Sich-einlassen auf diese Beziehung zu Gott, die >Offenheit für das, was meine eigenen, begrenzten Einsichten übersteigt und einen Prozess, der ausdrücklich Zeiten des hörenden Betens einschließt. Dann kann in der betenden >Unterscheidung der inneren Regungen eine Entscheidung wachsen, die dem Willen Gottes entspricht. Im Talmud wird diese Dialektik ausgedrückt in dem Weisheitswort: „Der Mensch wird des Weges geführt, den er wählt“.
Indifferenz
„Indifferenz“ ist eine der zentralen Voraussetzungen für eine gute geistliche Entscheidung (>Indifferenz). Es geht darum, nicht an vorgefassten Meinungen festzukleben oder unreflektiert bestimmten Vorlieben oder Abneigungen zu folgen. Indifferenz könnte zugespitzt als „Bereitschaft zum Gegenteil“ bezeichnet werden. Auch wenn mir oder der Gruppe ein Weg klar vor Augen zu stehen scheint, zunächst fast alle Argumente für diese Entscheidung sprechen und es geradezu verlockend ist, diese Richtung einzuschlagen: das Bemühen um Indifferenz soll verhindern, auf einem Auge blind zu sein. Ziel ist eine innere Freiheit für unterschiedliche Entscheidungsmöglichkeiten, um unvoreingenommen nach dem zu suchen, worin der >Wille Gottes gesehen wird.
Unterscheidung
Der Prozess der >Unterscheidung (Ignatius spricht von „Unterscheidung der Geister“) ist quasi das Kerngeschäft einer geistlichen Entscheidungsfindung. Es gilt, in einer Haltung der achtsamen Offenheit die inneren Regungen und Bewegungen wahrzunehmen (jede*r einzelne bei sich und gemeinsam in der Gruppe), um dann im hörenden Beten zu unterscheiden, woher diese Regungen kommen und wohin sie führen. Unterscheidungskriterium ist, ob es zu mehr Vertrauen, Hoffnung, Liebe, Beziehung und Frucht für andere führt, einer Regung zu folgen.
Vertrauen auf das Wirken Gottes
Eine der wesentlichen Grundlagen eines geistlichen Entscheidungsprozesses ist das >Vertrauen auf das Wirken Gottes. Es ist das Vertrauen darauf, dass Lösungen gefunden und Entscheidungen getroffen werden können, die am Beginn des Prozesses womöglich außerhalb des Horizonts der Beteiligten liegen, sich aber durch das Wirken des Heiligen Geistes – manchmal überraschend – erschließen können. Stille, Besinnung, Gebet, das Hören auf die Bewegungen im eigenen Inneren und auf die anderen – all dies dient dazu, diesem Wirken des heiligen Geistes Raum zu geben.
Die gesuchten Lösungen fallen gleichwohl nicht „vom Himmel“. Das Vertrauen in das Wirken Gottes enthebt nicht von der Notwendigkeit, sich mit Sachfragen gründlich auseinanderzusetzen (>Realitätssinn), es ersetzt nicht das ernsthafte gemeinsame Suchen und Ringen um eine Entscheidung. Aus dem Vertrauen in Gottes Geist kann aber für eben dieses Suchen und Ringen Kraft und Ausdauer gewonnen werden.
Gestärkt wird das Vertrauen in das Wirken Gottes oft im Rückblick auf eine Entscheidung, wenn bewusst wird: Da hat sich ein Knoten unerwartet gelöst, da hat die Gruppe trotz Meinungsverschiedenheiten zu einem Konsens gefunden, Fragen haben sich überraschend geklärt, Zuversicht wurde geschenkt u.a.m.. All das sind Erfahrungen, in denen das Wirken des Heiligen Geistes gesehen werden kann.
Bibel / Gebet / Weisheit
Matthäus 7,24-27 – Vom Haus auf dem Felsen. Auf die Grundlagen kommt es an!
Was sagt Ignatius dazu?
Zur Reife gehört, seine Meinung nicht übereilt zu sagen, wenn es sich nicht um etwas ganz Einfaches handelt, sondern sich Zeit zum Nachdenken oder Studieren oder zur Besprechung mit anderen zu nehmen.
Brief an Mitbrüder, die nach Deutschland gesandt werden vom 24.9.1549
Die Übereifrigen kümmern sich nicht darum, die Gefahr zu vermeiden, das Schiff zu sehr zu beladen. Und obwohl es gefährlich ist, das Schiff leer fahren zu lassen, weil es bei Versuchungen hin und her schwanken wird, ist es tatsächlich noch gefährlicher, es zu sehr zu belasten, dass es untergeht.
Brief an die Mitbrüder in Coimbra vom 7.5.1547
Ich wäre langsam im Sprechen, indem ich das Hören für mich nutze, ruhig, um die Auffassungen, Gefühle und Willen derjenigen, die sprechen, zu verspüren und kennenzulernen, um besser zu antworten oder zu schweigen.
Unterweisung für die Mitbrüder in Trient 1546
Literatur
Artikel über geistliche Entscheidungsfindung in Gemeinschaft >Artikel_Entscheidungsfindung.pdf
FILM: Imagine, Beschreibung >download
FILM: Ein ganzes halbes Jahr, Beschreibung >download