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Hören

Wer nichts hören will, kann auch nichts fühlen.

Zwischenmenschliche Kommunikation lebt wesentlich vom Zuhören und aufeinander Hören. Doch Hören ist nicht gleich Hören. In der Seelsorge oder der Gesprächstherapie wird von „aktivem Zuhören“ gesprochen: Ich wende mich meinem Gegenüber aufmerksam zu ohne das, was er*sie sagt zu (be)werten. Ich versuche mich einzufühlen und quasi „von innen“, aus seiner*ihrer Perspektive zu verstehen, was er*sie ausdrücken will. Dabei trete ich selbst für die Dauer des Zuhörens innerlich zurück, stelle eigene Gedanken und Gefühle hinten an und bin ganz Ohr für die*den andere*n.

Hören ist also nicht nur eine Fähigkeit unserer Ohren. Es ist vielmehr eine Grundhaltung, die von innen kommt. „Gib mir ein hörendes Herz“ lautet schon die Gebetsbitte König Salomons im Alten Testament (1 Kön 3,9).

Wirkliches Hören – Hinhören, Zuhören und aufeinander Hören – verleiht Gesprächen und Besprechungen eine neue Qualität. Das gilt im Besonderen für Entscheidungsprozesse. Wenn im „Dreischritt“ ignatianischer Spiritualität HÖREN – UNTERSCHEIDEN – ANTWORTEN der erste Schritt im Hören besteht, kommt darin die fundamentale Bedeutung dieser Grundhaltung zum Ausdruck.

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Übungen für Einzelne

Übung: Ganz Ohr sein

Setzen Sie sich im Zimmer ruhig hin (evtl. das Fenster öffnen) und schließen Sie die Augen.  Versuchen Sie ganz Ohr zu sein.

  • Lauschen Sie zunächst 1-2 Minuten nach draußen, auf die Geräusche, die von draußen an Ihr Ohr dringen. Bleiben Sie einfach bei der Wahrnehmung dieser Geräusche und Töne, ohne danach zu fragen, woher sie kommen oder wer diese Geräusche verursacht…
  • Richten SIe dann die Aufmerksamkeit auf das, was im Raum zu hören ist – wiederum ohne im Kopf zu analysieren. Wenn nichts zu hören ist, bleiben Sie trotzdem 1-2 Minuten im Lauschen…
  • Schließlich können Sie noch in Ihren Körper hineinhören, ob das Gehör etwas wahrnehmen kann, welcher Körperteil gerade besonders zu spüren ist, welche Empfindungen innerlich da sind…
  • Beenden Sie die Übung mit einem kurzen Rückblick darauf (ohne zu bewerten): Was hat die Übung in Ihnen ausgelöst? Wie geht es Ihnen jetzt?
Aktives Zuhören

Versuchen Sie sich in einem Gespräch im “aktiven Zuhören”:

  • Wenden Sie sich der*dem anderen äußerlich und innerlich zu (Kopf/Körper zu ihr*ihm wenden, sie*ihn anschauen).
  • Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit von Ihren eigenen gerade herrschenden Gedanken und Gefühlen weg zu der Person, der Sie zuhören wollen.
  • Hören Sie “ganzheitlich”: Nehmen Sie nicht nur auf, was jemand sagt, sondern auch wie er*sie es sagt, was in den Worten und “zwischen den Zeilen” mitschwingt.
  • Widerstehen Sie der Versuchung, unmittelbar etwas zu erwidern oder sofort die eigenen Gedanken daneben (oder gar dagegen) zu stellen.
  • Versuchen Sie statt dessen, nochmal mit eigenen Worten zusammenzufassen, was Sie von dem, was jemand gesagt hat, verstanden haben (“Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie…”?; “Dir ist wichtig, dass, … . Stimmt das so?”; “Wenn ich dich richtig verstanden habe, meinst du … .” oder ähnlich).
  • Fragen Sie nach, wenn Sie glauben, etwas nicht ganz verstanden zu haben oder etwas noch besser verstehen zu wollen.

Zusammenfassung “Aktives Zuhören” >download

Stilleübungen

Alle Formen der Stille- oder Wahrnehmungsübungen sind eine Schule des Hörens. Sie schulen darin, vom Modus des Aktiv-Seins (des Handelns und Redens) umzuschwenken in den Modus des Empfänglich-Seins (der Kontemplation, des Offenseins für das, was mir entgegen kommt). Ein Grundsatz dieser Übungen ist, das Wahrgenommene nicht zu bewerten oder zu analysieren, sondern es “wahr”-zunehmen. Darum geht es auch beim wirklichen (aktiven) Zuhören.

Stilleübungen und kontemplatives Beten helfen in besonderer Weise, innerlich die Grundhaltung des Hörens zu entwickeln. Dann wird aktives Zuhören kein Befolgen von formalen Gesprächsregeln, sondern eine Haltung und ganz natürliche Weise der Kommunikation und des Miteinanders.

Siehe Stichwort >Stille

Übungen für Gruppen

Übung: Anhörrunden

  • Eine gute Möglichkeit in Gremien und Gruppen das Aufeinander-Hören zu kultivieren sind sog. “Anhörrunden”.  Bei dieser Kommunikationsform können sich alle in der Gruppe kurz äußern, während die anderen ihnen zuhören und das Gesagte stehen lassen.
    Eine solche strukturierte Form der Kommunikation braucht eine klare Gesprächsleitung. Anhörrunden können an verschiedenen Stellen mit jeweils unterschiedlichen Inhalten hilfreich sein:

    • Als Einstiegsrunden am Beginn eines Treffens (z.B. als sog. Befindlichkeitsrunden, um miteinander in Kontakt zu kommen und als Gruppe arbeitsfähig zu werden)
    • Am Beginn einer Diskussion über ein Thema, um einzuholen, wo jede*r im Blick auf das  Thema steht
    • Wenn sich ein Gespräch festgefahren hat oder im Kreis dreht
    • Wenn sich nur wenige Gruppenmitglieder an einem Gespräch beteiligen, um alle wieder “ins Boot zu holen”.
    • Für ein Meinungsbild in der Gruppe
    • Nach einer Abstimmung, um zu hören, wie es jeder*m mit dem Ergebnis geht
    • Am Ende eines Treffens für einen Rückblick/eine Auswertung des Treffens
  • Ausführliche Beschreibung von Anhörrunden mit methodischen Ideen  >download

Übung: Aktives Zuhören in Gruppen

Auch in Gruppengesprächen ist aktives Zuhören hilfreich. Der*die Moderator*in kann – quasi stellvertretend für die Teilnehmenden – Redebeiträge nach Art des aktiven Zuhörens jeweils aufgreifen, nochmal wiedergeben oder zusammenfassen. Der*die Moderator*in kann damit “stilbildend” für den Umgang miteinander und die Art der Kommunikation wirken. Wichtig ist, dass die Redner*innen bestätigen können, ob sie richtig verstanden und wiedergegeben wurden, um Missdeutungen zu vermeiden.

Regeln für aktives Zuhören >download

Übung: Stillepausen

Wenn es in Gesprächen und Diskussionen am aufeinander Hören bzw. einander Zuhören mangelt, können Stillepausen helfen, die Grundhaltung des Hörens zu reaktivieren.
Schon am Beginn von Sitzungen oder Gruppentreffen kann ein Einstieg mit einer Stilleübung dazu beitragen, dass Gespräche nicht in kontroverse Diskussionen ausarten, sondern zu einem konstruktiven Austausch werden. Voraussetzung ist natürlich, dass die Teilnehmenden einer solchen Stilleübung keinen inneren Widerstand entgegenbringen, sondern bereit sind, sich darauf einzulassen.

Siehe Übungen beim Stichwort  >Stille

Bibel / Gebet / Weisheit

Bibel

Dtn 6,4 – Höre, Israel

1 Kön 3,9 – Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz

Mk 4,1-25 – Das Gleichnis vom Sämann / Vom rechten Hören

Joh 10,27 – Meine Schafe hören auf meine Stimme

Gebet/Lied

Sören Kierkegaard drückt in einem Gebet sehr schön aus, was es heißt Hörender zu werden >download

Weisheit

Kurzgeschichte: Das Geräusch der Grille >download

Geschichte: Die versunkene Kathedrale >download

“Der erste Schritt der Liebe ist ein Schritt zurück.” (Hans Urs von Balthasar)

Was sagt Ignatius dazu?

Gott spricht zur Seele ohne jedes Wortgesäusel.

Brief an Teresa Rejadell vom 18. 6. 1536


Ignatius von Loyola gibt seinen Mitbrüdern, die am Konzil von Trient teilnehmen, folgenden Rat:

Ich wäre langsam im Sprechen, indem ich das Hören für mich nutze, ruhig, um die Auffassungen, Gefühle und Willen derjenigen, die sprechen, zu verspüren und kennenzulernen, um besser zu antworten oder zu schweigen.

Unterweisung für die Mitbrüder in Trient 1546

Literatur

Willi LAMBERT, Die Kunst der Kommunikation, Herder Verlag 2006

Marshall B. ROSENBERG, Gewaltfreie Kommunikation, Junfermann Verlag, 12. Aufl. 2016

FILM: Kinofilm “Die große Stille” über das Leben der Mönche in der Grande Chartreuse in Frankreich. Filmbeschreibung >download

FILM: Zeit für Stille. Ein Dokumentarfilm über Lärm und Stille. Kurzbeschreibung >download

FILM: Saiten des Lebens, Filmbeschreibung >download